Lesezeit ca. 9 Minuten

Wenn du vor mir stehst und mich ansiehst, was weißt du von den Schmerzen, die in mir sind, und was weiß ich von deinen. Und wenn ich mich vor dir niederwerfen würde und weinen und erzählen, was wüsstest du von mir mehr als von der Hölle, wenn dir jemand erzählt, sie ist heiß und fürchterlich. Schon darum sollten wir Menschen voreinander so ehrfürchtig, so nachdenklich, so liebend stehn wie vor dem Eingang zur Hölle.

Da ich bald Mutter von Zwillingen werde, stelle ich mir schon seit geraumer Zeit die wohl üblichen Fragen zum zeitgenössischen Gerechtigkeitsverhältnis zwischen den Geschlechtern: Wer geht arbeiten und wer hütet die Kinder? Wie damit umgehen, dass der weibliche Körper in Mitleidenschaft gezogen wird und in seinem gesellschaftlichen Ansehen an Reiz verliert, während der männliche Kinder „geschenkt“ bekommt und noch im Alter selbstverständlich mit Sexappeal und Jugendlichkeit punktet? Wie lässt sich die Versorgungs-, Erziehungs- und Bildungsarbeit gerecht verteilen?

Oft habe ich schon gelesen, dass sobald Kinder da sind, jedes noch so gleichberechtigt freiheitlich organisierte Pärchen in alte Rollenbilder zurückfällt – nicht zuletzt, weil diese staatlich gefördert und unterstützt werden. Die Köpfe und Herzen mögen vielleicht weiter sein als die Gesetzestexte, doch müssen sie sich im ohnehin mit Kindern mühevollen Alltag immer noch größtenteils den durch die unzeitgemäße Legislatur gestalteten Umständen beugen.

Im vorliegenden Aufsatz möchte ich mich allerdings mit primären, ethisch-sozialen Aspekten gelebter und lebbarer Gleichberechtigung beschäftigen. Die Fragen, die ich mir in diesem Kontext stelle, sind: Hat sich der Inhalt weiblichen Tuns und „Kümmerns“ in der heutigen Familienlandschaft verändert? In Anlehnung an Frigga Haugs Theorien versuche ich einiger ausschlaggebenden Stärken von Frauen habhaft zu werden. Wie sie im Sinne der eigenen sowie einer gesamtgesellschaftlichen Emanzipation einsetzen? Gibt es ein ethisches Modell, das geschlechtsunabhängig Handreichungen bieten kann, um einen verantwortungs- und würdevollen Umgang miteinander zu ermöglichen?

Das „starke“ Geschlecht: Eine Revision

Zwar stehen feministische Fragen und Genderthemen mehr denn je im Fokus der Öffentlichkeit.1 Dass es dabei aber nicht selten zu einer „vermassten“ Abhandlung von Frauenbiografien kommt, bzw. mehrere historische „Fälle“ auf einen Schlag bearbeitet werden, habe ich schon an anderer Stelle als nicht unproblematisch zur Sprache gebracht (siehe: Blogeintrag Frausein). Zwar kann man in einem Land wie Deutschland davon sprechen, dass das „kollektive Subjekt Frauen“ „zugunsten von diversity, Differenz und allenfalls gender“ als überwunden gelten kann2, doch auch Haug weist unmissverständlich auf die Problematik hin, dass es inzwischen einen herrschenden Diskurs gibt, der Frauen als längst in Machtpositionen und Gleichstellung arriviert behauptet – nicht mehr als eine Behauptung in der Tat, wie die vielen einschlägigen Studien und Statistiken zeigen (siehe z.B. die aktuellen Studien von Jürgen Weibler, Professor für Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Personalführung und Organisation an der Fernuniversität Hagen).

Auf der Suche nach Annäherungen, die die einseitige historische Erfolgsstory (weißer) Männer und die Diskriminierung bzw. die Exklusion anderer Geschlechter, Hautfarben, Ethnien etc. mitberücksichtigen, und die aus der jahrhundertelangen Benachteiligung und Unterdrückung der Frau möglicherweise sogar eine Umkehrung ins Stärkende als Schluss ziehen, habe ich mich mit Frigga Haugs Überlegungen rund um eine Ethik der Menschlichkeit beschäftigt, in der ich viele Anklänge an Levinas Ethik des Anderen sehe.

Aus dem Glauben in den Alltag: Die Ethik des Anderen

Zwei Dinge waren in Levinas' Entwicklung seiner Ethik ausschlaggebend: seine eigenen Erfahrungen (dazu zählen die Auseinandersetzung mit den religiösen Inhalten und Besinnungspraktiken des Judentums sowie seine eigene Kriegsgefangenschaft und die familiäre Verfolgung während des Holocaust, dem Levinas Eltern und seine Brüder zum Opfer fielen) und seine Beschäftigung mit der antiken Philosophie wie auch mit Husserl und Heidegger.

In der Herleitung einer mündigen und selbstverantwortlichen Lebensweise, auch im Umgang mit etwaigen Dogmen und Anleitungen des eigenen Glaubensbekenntnisses, beruft sich Levinas auf die Einzigartigkeit des Judentums, die für ihn in der ihr inhärenten Forderung „nach Meinungsvielfalt“ und nach persönlicher, individueller Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten besteht. Eine solche Lebensweise, die das „Heilige“ dem persönlichen Abwägen unterstellt und den Gläubigen nicht „vereinnahmt“ wird laut Levinas erst dort erkennbar, „wo der Mensch den Menschen als Anderen anerkennt und sich ihm als solchem öffnet.“3

Sieht man davon ab, dass Levinas sein autonom-verantwortliches Menschenbild aus religiösen Zusammenhängen herleitet, bleibt vor allem stehen, dass erst ein solches Menschenbild in seinen Augen dazu geeignet ist, eine alltagstaugliche Ethik im Umgang mit dem Anderen zu etablieren (das Andere, auf Französisch l‘autre, beinhaltet immer sowohl den männlichen als auch den neutralen Genus – damit entgeht Levinas‘ Ethik der Falle der Zweigeschlechtlichkeit). Er spricht vom Vorrang des Moralischen gegenüber dem Priesterlichen und einer relativen Autonomie des Politischen im Judentum4 und sieht den Ursprung dieser Geisteshaltung in der Bedeutung des Friedens. Frieden und der würdevolle Umgang miteinander fallen in eins; Frieden muss Levinas zufolge das Ideal des Laizismus sein, sonst ist der Laizismus „nichts anderes als die Suche nach einem beschaulichen und bequemen Leben, eine Gleichgültigkeit der Wahrheit und den anderen gegenüber, ein reiner Skeptizismus.“5 Ohne Frieden als Ziel weltlichen Lebens gelangen die Menschen zu einem egoistischen, Anstrengung scheuenden, ignoranten und Menschen und Fakten gegenüber gleichgültigen Weltbild. Sind wir nicht gerade auf dem besten Weg, ein solches Weltbild immer umgreifender Gültigkeit gewinnen zu lassen? Oder, anders gefragt: Sind die vielen gegenwärtigen Aufwiegelungs- und Eskalationsstrategien (man denke nur an das fahrlässige „Scharmützel“ zwischen Kim Jong-un und Trump) nicht Symptome eines Weltbildes, das das wichtigste Ziel, den Frieden, aus den Augen verloren hat?

Von Freiheit und Gleichheit

Ich denke, Levinas Philosophie kann nicht zuletzt dabei helfen, die wesentlichen Spotlights einer längst fälligen umfassenden Gleichberechtigung von Geschlechtern, Hautfarben, Ethnien etc. zu entfachen oder zu erhellen. Man kann damit beginnen, sich Levinas Definition von Freiheit anzusehen, die er in zwei Arten unterteilt: eine, in der das Subjekt sich selbst setzt, d.h. sich von dem, was um es herum und ohne sein Zutun und seit seiner Geburt vorgefundenermaßen sich vollzieht, absondert, sich individuell bemerkbar macht. Das Resultat dieser ersten freiheitlichen Setzung, mit der das Subjekt sich eine Position im Weltgeschehen verschafft (ein Weltgeschehen, das immer schon stattfindet und auch ohne es stattfinden würde!), ist ein „Gewaltakt, der andere Subjekte ausschließt und verdrängt“6. Die Folge einer solchen (Selbst)Behauptung ist Einsamkeit. In unserer Zeit scheint mir ein solches Verständnis von Freiheit am dominantesten vorzuherrschen.

Doch Levinas bleibt nicht auf dieser Stufe stehen. Mit einem egalisierenden Blick schaut er auf die Welt. Indem jedes außerhalb seiner selbst Geschaute das Andere ist – weil aus der kognitiven Perspektive ich selbst immer das eine bin – demokratisiert und egalisiert sich nicht nur das Andere. Auch die Einen sind in ihrer wenn auch unterschiedlichen Subjektivität egalisierend vereint. Das ist keine unterschiedslose, Individualitäten einebnende Gleichmacherei, weil es eine formale Kategorie bleibt. Levinas abstrahiert vom individuellen Gegenüber, der für immer der Andere ist, und rückt ihn so gleichzeitig nahe, demokratisiert ihn und egalisiert ihn, macht ihn zu seinem Nächsten. Der andere Mensch bleibt dabei das ewig Andere, Unbekannte, das ich mir nicht durch Identifizierung einverleiben kann, und dem ich schon aufgrund seiner Fremdheit mit Respekt begegnen muss.

Nah dran am Leben: Solidarität und Care, der feine Unterschied

Den zwischenmenschlichen Beziehungen, dem Umgang mit dem Anderen kommt bei Levinas Priorität zu, es gilt der Primat des Sozialen bzw. der Primat der Moral, der unabhängig ist von der Religiosität einer Glaubensgemeinschaft und „von allen Äußerungen ritueller Frömmigkeit.“7 Ein würdevoller Umgang mit dem Anderen, für den der Mensch von Anfang an Verpflichtung mitbringt, braucht im Alltag Auserwählte, die sich „unendlich verpflichtet“ fühlen und in unendlicher Ich-Bescheidenheit sich selbst stets mehr abverlangen als anderen8.

Diese Rolle haben Frauen durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder gespielt. Die Aufgabe der Kümmerer, die ihnen mit Beginn des Patriarchats ausdrücklich aufgezwungen wurde, mit Begründungen wie, sie seien „von Natur aus“ näher an familiären Dingen dran. Meist übernahmen sie diese Rolle, gewöhnt an „eine zu lange Tradition von Schüchternheit und Unterwerfung“9, und machten sie zu der ihren. Und auch heute sind trotz einiger Errungenschaften der Gleichberechtigungskämpfe die meisten Familienkonstellationen nach wie vor ohne die Aufopferung von Frauen nicht denkbar oder überlebensfähig.

Auch Frigga Haug, die schon in den Anfängen Teil der deutschen Frauenbewegung war und sich vehement gegen den Frauen oft zugesprochenen Opferstatus ausspricht10, operiert mit der „vorläufigen These“, „dass es den Frauen von alters her obliegt, Gruppen zusammenzuhalten, Kollektive zu stiften und daran zu arbeiten, dass sie zusammenbleiben“.11 Die dabei zum Einsatz gelangenden Stärken von Frauen bezeichnet sie als „aus der bitter erfahrenen Notwendigkeit des Lebens und seiner Reproduktion“ hervorgegangene12, will diese jedoch als „Solidarität“ verstanden wissen, nicht als „Care“. Die Fürsorge, eine Tätigkeit, die insbesondere Frauen zugeschrieben wird, auch von Männern, und die inzwischen durchaus schon mit einer gewissen Nähe zu einem biologistischen Begründungszusammenhang belastet ist, wird so vermieden und stattdessen der Begriff der Solidarität eingeführt, der semantisch viel eher in der Nachbarschaft freiheitlich-willentlicher, selbstbestimmter Handlungsfähigkeit zu Hause ist. Im Sinne Haugs also heraus aus der Opferrolle.

Dieser Gedanke schlägt den Bogen zurück zu Levinas. Bei ihm hat eine Ethik, die für den Anderen Verantwortung trägt, viel mit Solidarität zu tun: Er definiert sie als „das ursprüngliche Erwachen eines »Ich«, das für den Anderen verantwortlich ist, der Aufstieg meiner Person in die Einmaligkeit des »Ich«, das zur Verantwortung für den Anderen gerufen und erwählt ist. Das menschliche »Ich« ist nicht eine in sich geschlossene Einheit, [...] es ist vielmehr eine Offenheit, und zwar eine Offenheit der Verantwortung, die den wahren Anfang des Menschlichen und der Geistigkeit bezeichnet.“13 Folgerichtig ist für Levinas Humanismus als „Antwort auf den Anderen“ definiert, „die bereit ist, ihm den Vorrang zu lassen, die dem Anderen nachgibt, anstatt ihn zu bekämpfen.“14

Humanismus für ein zukunftsfähiges Zeitalter

Ein solcher Humanismus, der Initiative nicht als geschlechtlich denkt, kann eine alltägliche Ethik im würdevollen Umgang miteinander begründen. Frigga Haug wiederum sieht einen so gestalteten Humanismus auch durchaus schon international am Werk, allerdings vor allem von Frauen in die Realität gesetzt. Die Beispiele, die sie gibt, können – so ihr (Levinas nicht explizit aber doch inhaltlich bestätigendes) Argument – ein menschliches Gemeinwesen zukunftsfähig machen. Sie können auch dem gleichen Fixstern zuarbeiten, dem der Philosoph in seinem Lob des Laizismus folgt: dem Frieden. Haug zählt als von Frauen ausgeübte Haltungen und Praxen in der Kleinfamilie auf: „die Sorge, dass es den anderen an nichts fehle; das Kümmern um Bedürfnisse; das Ausgleichen von Differenzen; die Wahrnehmung von Unterschieden ohne Nachteile für die Betroffenen; die Sorge um die Körper; ums Wohlsein; um Freundlichsein; ums Mitmachen; darum, dass alle lernen; dass alle Fähigkeiten entwickeln, die nicht nur ihrem Fortkommen dienlich sind, sondern die auch untereinander gewollt sein können, wie Güte, Freundlichkeit, Geborgenheit.“15 Also grundlegende, den Menschen in seinen basalen Lebenseinstellungen formende und fördernde Bemühungen des sozialen Zusammenhalts und der Persönlichkeitsentwicklung.

Die so bestimmten Praxen und Haltungen sollen in eine „Ethik der Menschlichkeit“ münden, die Haug für die Zukunftsfähigkeit von Gemeinschaften als unabdingbar ansieht.16 Eine solche kann jedoch natürlich erst dann gegeben sein, wenn allgemein eben dem Frieden zugearbeitet wird. Längst fällige Voraussetzung wäre zudem, solche wichtigen Fragen des gemeinsamen Lebens, die im Lauf der Geschichte „zu Frauenfragen entwichtigt“ wurden17, wieder zu Fragen und Betätigungsfeldern zu machen, die alle angehen, unabhängig von Geschlecht, Glaube oder Weltbild. „Die Aufrechterhaltung von Menschlichkeit“ darf nicht länger nur eine „vor allem weibliche Tugend“ sein, sondern muss Allgemeinangelegenheit werden.18 Mag sein, dass die heutige Übernahme von Erziehungsaufgaben, Elternzeit etc. seitens einiger Männer schon eine gewisse Entwicklung in dieser Richtung ausgelöst hat, auf breitem, gesamtgesellschaftlichem Niveau ist jedoch nach wie vor noch viel Spielraum.

Öffentliche Selbstermächtigung: Frauen transformieren die Welt

In diesem Sinne sollen die so definierten sozialen Stärken von Frauen einen transformatorischen Impetus erhalten. Frauen sollen sich als kollektives Subjekt von Veränderungshandeln verstehen.19 Sie sollen sich nicht zuletzt für die Veränderung ungünstiger Verhältnisse und von Ungleichbehandlung einsetzen, und daran arbeiten, dass allen Menschen die Zeit gegeben ist, wichtige Lebensbedingungen – wie die Sorge um sich, andere und die Natur – entfalten zu können. Frauen kommt bei Haug in einer „atomisierten feindseligen“ Konkurrenzgesellschaft eine Pioniersfunktion zu: Ihre „Gemeinwesenkräfte wären zu befreien“.20 Wie genau dies zustandekommen kann und soll, macht Haug am Beispiel Rosa Luxemburgs anschaulich, die sich Zeit ihres Lebens „selbstkritisch, argumentierend, nachvollziehbar und unablässig“ öffentlich für die Befreiung des Menschen einsetzte.21 Sogar hier stoßen Levinas und Haug m.E. ins gleiche Horn: Es muss herausragende Figuren geben, die ihre eigene, möglicherweise gefährdete Position außer Acht lassen und öffentlich transformatorisch auftreten und handeln; bei Haug sind das Menschen wie eben Rosa Luxemburg und Virginia Woolf, öffentliche Intellektuelle, die ihren Kampf als Beitrag zum gesellschaftlichen Leben und zur Besserung der Situation von Unterprivilegierten verstehen. Bei Levinas sind das ebenfalls herausragende Menschen, ethische Vorbilder, die ihr eigenes Ich vernachlässigen zugunsten einer unbedingten Verbindlichkeit dem Anderen gegenüber. Bei beiden scheinen mir Kooperationsmaßnahmen und gegenseitige Förderung der Agierenden untereinander und übereinander hinaus mitgedacht, ja gefordert.

Bedingungslos verbindlich: Für eine unabhängige Moral

Auch Levinas denkt übrigens an eine familiäre Beziehung als Erstbegründung für ein ethisches Verhältnis zwischen Menschen. In der Beziehung zwischen Eltern und Kind sieht er „die Möglichkeit eines Anfangen-vom-Anderen-her oder einer nicht-autonomen Freiheit“ begründet.22 Die von Frigga Haug als Solidarität bezeichneten fürsorglichen Haltungen und Praxen, die sie zuallererst im (langen Unterdrückungserfahrungen geschuldeten) Lebensentwurf von Frauen angesiedelt sieht, findet bei Levinas geradezu tandemhaft seine Entsprechung in der ethischen Beziehung zum Anderen. Diese steht für Verbindlichkeit, erzeugt das Bedürfnis „die eigene Freiheit zu rechtfertigen“23 und bedeutet „immer auch eine Erschütterung und Auflösung der Selbstgenügsamkeit und Selbstbestimmung des Ich“.24

So gelangt Levinas in seinem zweiten Freiheitsbegriff dorthin, wohin Haug durch die Hineinnahme der Erfahrung von Unterdrückung und Kleinhaltung (nicht nur) von Frauen gelangt: zu einer Erschütterung des Ego. Diese veranlasst ihn zu seinem Statement: „Die Menschlichkeit des Menschen beginnt mit der Moral“25, eine Schlussfolgerung, die die Basis seiner bedingungslosen, von Geschlechterperspektiven wie von religiösen Ausrichtungen und Dogmen befreiten Ethik der Liebe bildet. 

Ihre Voraussetzung kann einzig der Laizismus sein. Darin jedoch muss die Moral auch von der Politik getrennt sein, denn nur eine bedingungslose Ethik „ist in der Lage, die zwischenmenschliche Beziehung als eine absolute zu setzen.“26 Und nur, wo die Beziehung zum anderen Menschen als absolut gesetzt ist, kann wirkliche Gerechtigkeit stattfinden, genauso wie gelebte Gleichberechtigung. 

Fußnoten:

[1] Filme wie "Hidden Figures", die die historische "Verschüttung" von weiblichen Vorkämpferinnen thematisieren, Titelstories wie die der ZEIT vom 23. Januar 2014 („Zwölf Porträts von Pionierinnen und Grenzgängerinnen, die zu Unrecht vergessen wurden“), Fernsehproduktionen wie "Sternstunde ihres Lebens" mit Iris Berben, Theateraufführungen, Ausstellungen, "Gender-Salons" und öffentliche Debatten widmen sich der Aufarbeitung und der Voranbringung eines nach wie vor wichtigen Anliegens gesellschaftlicher Gerechtigkeit.

[2] Frigga Haug. „Auf der Suche nach Stärken von Frauen. Werkstattnotizen“. In: Das Argument 287, 2010. S. 305.

[3] Emmanuel Lévinas. Der Laizismus und das Denken Israels. In: Die Unvorhersehbarkeit der Geschichte. Verlag Karl Alber Freiburg/München, 2006. S. 155.

[4] Ebd. S. 154.

[5] Ebd. S. 155.

[6] Andreas Gelhard. Levinas. Reclam Verlag Leipzig, 2005. S. 134.

[7] Emmanuel Lévinas. Der Laizismus und das Denken Israels. S. 156.

[8] Ebd. S. 157.

[9] Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH. Reinbek bei Hamburg, 1968. S. 120.

[10] Laut Haug tragen Frauen die Herrschaft, unter der sie leiden, auch in sich, sind also nicht rein passiv und abhängig. Vgl. Frigga Haug. „Opfer oder Täter? Über das Verhalten von Frauen“. In: Das Argument 123, 1980. S. 643-49.

[11] Frigga Haug. Stärken von Frauen. S. 310.

[12] Ebd. S. 314.

[13] Emmanuel Lévinas. Gespräch mit Roger-Pol Droit. In: Die Unvorhersehbarkeit der Geschichte. Verlag Karl Alber Freiburg/München, 2006. S. 175.

[14] Ebd. S. 181.

[15] Frigga Haug. Stärken von Frauen. S. 312.

[16] Dabei verstehe ich Haug mitnichten so, dass jegliche Aggressivität von Seiten der Frauen auf der Strecke bleiben soll. Sie kann zum Beispiel im öffentlichen Auftreten und im tranformatorischen Handeln und Befürworten einen Ausdruck finden, siehe weiter unten.

[17] Frigga Haug. Stärken von Frauen. S. 314.

[18] Ebd. S. 311.

[19] Vgl. ebd. S. 305.

[20] Ebd. S. 312.

[21] Ebd. S. 310.

[22 + 23] Andreas Gelhard. Levinas. S. 134.

[24] Ebd. S. 133.

[25] Emmanuel Lévinas. Der Laizismus und das Denken Israels. S. 160.

[26] Ebd. S. 159.