Lesezeit ca. 3 Minuten

Barbara Ras ist eine amerikanische Dichterin, Übersetzerin und Verlegerin aus New Bedford, Massachusetts. Ich war freudig überrascht zu entdecken, dass sie mit Autoren wie Wendell Berry, Gary Snyder und nicht zuletzt Robert Creeley zusammengearbeitet hat.

Doch hier geht es um ihre eigene Lyrik. 1998 erschien ihr erster Gedichtband „Bite Every Sorrow“ bei der Louisiana State University Press. Viele ihrer Gedichte wurden bereits in Magazinen wie The New Yorker oder The American Scholar veröffentlicht sowie in verschiedenen Anthologien, außerdem wurde sie mit etlichen Preisen honoriert, unter anderem mit dem Walt Whitman Award der Academy of American Poets.

Besonders eines ihrer Gedichte, das erste, das ich von ihr kennenlernte, hat es mir angetan: „Washing the Elephant1. Da Übersetzungen ihrer Lyrik ins Deutsche Mangelware sind, möchte ich hier zumindest dieses Gedicht in einer eigenen Übersetzung deutschsprachigen Lesern zugänglich machen – das Original finden Interessierte unter obigem Link.

C. K. Williams, ebenfalls sehr erfolgreicher US-amerikanischer Dichter, sagte bei der Verleihung des Walt Whitman Awards an Barbara Ras (für den oben genannten Band), er sei in moralischer Hinsicht ernsthaft, in poetischer authentisch und in spiritueller scharfsichtig („morally serious, poetically authentic, spiritually discerning“). Attribute, die sich auch in „Washing the Elephant“ ausfindig machen lassen.

Souverän verwebt Ras in „Washing the Elephant“ Vergangenheit und Gegenwart des lyrischen Sprechers – des kindlichen Ich und des erwachsenen Du, zu dem im Laufe des Lebens eine heilsame Distanz entstanden zu sein scheint. Dem Verlust der kindlichen Unschuld stellt sie mit assoziativer Treffsicherheit Erfahrung und Wissen gegenüber, die mit dem Alter hinzuzugewinnen sind. Sowohl Traum als auch subjektive Realität spielen eine Rolle in Erinnerung und Erleben – diese bestimmen Position und Konstitution des Menschen: des von vergangenen Erlebnissen geprägten, wie auch des gegenwärtig Wahrnehmenden und sich Erinnernden. Und beide sind dem wandelhaften Prozess der Bedeutungszuschreibung unterworfen.

Elefantenwäsche
Barbara Ras

Ist es nicht immer das Herz, das den Elefanten
waschen will und den Körper bittet es zu tun
mit Wasser und Seife, einer Leiter, Händen
in Baumform, groß genug für die weiten Savannen
deiner Traurigkeit, das würgende Feigenblatt deiner Schuld,
das verkraterte Licht des Vollmonds, das antreibt
die windigen Elefantenspulen der Erinnerung?
Was wenn Pater Quinn gesagt hätte, „Natürlich wirst du deine Eltern
im Himmel wiedersehen,” statt
„Eins zu sein mit Gott wird deine Mutter und deinen Vater
bedeutungslos machen.” Das war als ich jung genug war
sie rückhaltlos zu lieben, doch ich fürchtete um ihren Platz
im Himmel, ihre Seelen stellte ich mir wie Schwämme vor, voll
mit sowas Ähnlichem wie Straßenwasser nach einem Schauer.
Damals schickte mich meine Mutter noch jeden Samstag zur Beichte,
damit ich die Sünden aus meiner kleinen verwirrten Seele wrang, und ich erfand Lügen
über das Lügen, den Ungehorsam, Kaugummikauen in der Kirche, um sie ihnen anzubieten
so vorsichtig, wie ich das geknotete Taschentuch mit Münzen
zum Händler brachte, wenn mich Mutter um einen Laib Wonder2 schickte,
Land of Lakes, und zwei Camels.
Wenn Schuld der Verlust der Kindheit ist, dann ist Eros der Sturz der Jugend.
Oder der Sturz beginnt dort, und hört nie auf, Begierde an Begierde aufgereiht
entlang eines Lebens wie die Elefanten der Ringling Brüder,
die durch den Queens-Midtown Tunnel marschieren mussten
und die Vierunddreißigste Straße hinunter bis zum Garden.
So viel von deinem Begehren wie ihr wuchtiger, schattiger Gang
nach Mitternacht, aus der Wildnis verbannt und bestimmt
für einen Zirkus mit seinem flitterhaften Prunk, dem unaussprechlichen
Pathos.
Es dauert länger als ein halbes Jahrhundert herauszufinden, wer sie waren,
die wenigen echten Lieben deines Lebens, und wie viel vom Rest—
dieser irren herzzerbrechenden Anhänglichkeit—wegfällt, langsam,
unbemerkt, wie du den Geschmack an Dingen verlierst
wie Eis am Stiel, unbedacht.
Und auch wenn im Alltag kein Platz ist
für jene, die sich in die Lachfalten fraßen
und in die Runzeln des Gesichts, von dem immer schwerer
behauptet werden kann es sei deins: Oft wird dir eine Liebe deines Lebens
im Traum erscheinen, auftreten
mit dem Gewicht, der Unerschütterlichkeit eines Elefanten,
und immer ist es das Herz, das hinausgehen und sie waschen will
die große Rätselhaftigkeit dessen, was sie bedeuten, jene Erinnerungen
die nur Erinnerungen haben, um davon zu zehren, und um sie sauber zu halten, nur dich.

Fußnoten:

1 "Washing the Elephant" ist in der Sammlung "The Last Skin" erschienen (Penguin Books, 2010).
2 Wonder ist eine Brotmarke, Land of Lakes Hersteller von Milchprodukten (etwa Butter oder Käse) und bei Camel handelt es sich um Zigaretten (Anm. der Übers.).

Mit herzlichem Dank und lieben Grüßen an Michael Cornelius, der mich auf Barbara Ras aufmerksam machte.